Bayerischer Museumspreis 2019 fürs Museum Oberschönenfeld
Das „Flaggschiff der Bezirks-Museen in Schwaben“ wurde am Bayerischen Museumstag Anfang Juli in Neumarkt/OPf. von der ´Versicherungskammer Bayern Kulturstiftung´ als nichtstaatliches Museum mit dem Bayerischen Museumspreis 2019 ausgezeichnet. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre verliehen. Beim Presseempfang in Oberschönenfeld bekundeten Bezirkstagspräsident Martin Sailer und Museumsleiterin Dr. Beate Spiegel: „Wir freuen uns riesig über die Auszeichnung, sie ist Ehrung und Ansporn zugleich!“ Laut Sailer „hat sich damit gezeigt, dass der Entschluss des Bezirks Schwaben im Jahr 2008, seine Bezirksmuseen im Rahmen des Museumsausbauplans fit für die Zukunft zu machen, Früchte trägt!“
Bilder: Andreas Lode
Oberschönenfeld (pm). Spannende Wege beschreitet das Museum Oberschönenfeld in seiner völlig neu konzipierten Dauerausstellung: „Wir erzählen ‚Geschichten aus Schwaben‘ anhand ausgesuchter exemplarischer Objekte und Themen“, wozu auch das Leben der Zisterzienserinnen vor Ort gehört, beschreibt Museumsleiterin Dr. Beate Spiegel das erfolgreiche Konzept. Auf den Weg gebracht hatte dieses ehrgeizige Unternehmen der Bezirk Schwaben in Zusammenarbeit mit dem engagierten Museumsteam aus Oberschönenfeld und den kreativen Gestaltern vom Büro Thöner von Wolffersdorff GbR in Augsburg. (Diese dürfen sich doppelt freuen, gewannen sie doch auch beim 2. Preis. Der ging an ein ehrenamtlich geführtes Haus, das Staffelsee-Museum Seehausen/Obb.). Nun wurde das Bezirksmuseum für das Konzept und seine zeitgemäße gestalterische Präsentation mit dem Bayerischen Museumspreis 2019 ausgezeichnet! „Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir anschaulich und kommunikativ das alltägliche Leben der Menschen im ländlichen Schwaben in den vergangenen 200 Jahren zeigen können. Ich glaube, es ist uns gelungen, unsere Besucher an historisches Geschehen zu erinnern und zugleich Anknüpfungspunkte an das eigene Leben zu bieten“, freut sich die Museumschefin. „Alltag erzählen wir − bei sparsamen Medieneinsatz − anhand von Biografien, mit berührenden Zitaten, mittels Hörstationen und mit kommunikativen Mitmachstationen.“ Großes Lob kommt dafür auch von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern: „So wird beim Rundgang der Alltag im ländlichen Schwaben vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis hin zur Gegenwart lebendig.“ Bezirkstagspräsident Martin Sailer kann als Augsburger Landrat gleich zweifach zufrieden auf die Auszeichnung blicken, wird das Museum in Oberschönenfeld auch in Form einer Zweckvereinbarung vom Landkreis Augsburg unterstützt: „Ich lade Sie zu einem inspirierenden Museumsbesuch ein, hier dem Facettenreichtum Schwabens und seiner Menschen nachzuspüren. Idyllisch gelegen im Naturpark Augsburg-Westliche Wälder ist zudem das einzigartige historische Areal der über 800 Jahre alten und bis heute ununterbrochen bestehenden Abtei der Zisterzienserinnen in Oberschönenfeld sehenswert.“
Hauptleihgeberin − von äußerst seltenen und wertvollen Exponaten − dieser neuen Dauerausstellung ist die Abtei Oberschönenfeld. Die Äbtissin, M. Gertrud Pesch O.Cist., dankt dem Bezirk Schwaben, dem tollen Museumsteam um Frau Dr. Spiegel und ausdrücklich auch Sailers Vorgänger, Altbezirkstagspräsident Jürgen Reichert für das langjährige Engagement: „Sie ermöglichten den Weg zu einer neuen Dauerausstellung über unser − der Öffentlichkeit weitgehend verborgenes − klösterliches Leben und Wirken an diesem Ort, womit ein lang ersehnter Wunsch seitens der Abtei in Erfüllung ging. Die Ausstellung will helfen“, unterstreicht die Äbtissin, „ins tiefere Verstehen und Verständnis des monastischen Lebens hinter Klostermauern zu gelangen.“
Museum Oberschönenfeld: neue Dauerausstellung
Die Ausstellung präsentiert mehr als Objekte – sie erzählt am Beispiel konkreter Personen und ihres Umgangs mit Dingen, wie Menschen im ländlichen (Mittel‑)Schwaben zwischen etwa 1800 bis hin zur Gegenwart ihren Alltag bewältigten, in welche Lebenswelten sie geboren wurden und was diese veränderten. Zur Veranschaulichung von Biografien und Mentalitäten spannt die Präsentation ausgewählter Objekte mehrere Ebenen auf, die durch ihre Inhalte und die entsprechende gestalterische Umsetzung wegweisend sind. Besuchern jeden Alters öffnen sich persönliche Wege durch die Ausstellung, die ihnen emotional berührende Anknüpfungspunkte an ihre eigene Biografie bieten.
Präsentation
Auf zwei Ebenen entfalten sich die Themenfelder: „Tradition und Wandel“ im Obergeschoss, „Geschichten aus Schwaben“ im Dachgeschoss. Teils hochkarätige Objekte kommen durch die zurückhaltende Farbigkeit von Vitrinen und Ausstellungswänden in Weiß und Grautönen besonders gut zur Geltung. Diese Farben sind in beiden Geschossen eingesetzt und bewirken ein luftiges Raumgefühl in dem bis auf die Außenmauern holzsichtigen ehemaligen Stallgebäude von 1708.
Biografische Stationen. Prägnante Zitate. Hörstationen
Ebenfalls durch beide Geschosse ziehen sich biografische Stationen zu Personen, zu Firmen und zu ausgewählten Objekten: Sie erzählen individuelle Geschichten und verankern die Exponate zeitlich und sozial in schwäbischen Orten. Außerdem bieten viele Objektschildchen ergänzende Hinweise, etwa zur konkreten Nutzung.
Einzigartige Objekte, exemplarische Ausstellungsthemen, ihre zeitgemäße gestalterische Präsentation durch das Büro Thöner von Wolffersdorff GbR in Augsburg, sparsamer Medieneinsatz, Mitmach-Stationen sowie das Museumsmaskottchen Kater Bernhard bieten Menschen jeden Alters kommunikative Identifikationsangebote und entfalten bei einem kurzweiligen Museumsbesuch den Facettenreichtum Schwabens und seiner Menschen.
Tradition und Wandel
Das Obergeschoss zeigt „Tradition und Wandel“ in zwei Abteilungen. Davon ist „Klosterwelt im Wandel“ dem kontemplativen Leben der Zisterzienserinnen der Abtei Oberschönenfeld und ihrer 800‑jährigen Geschichte gewidmet, in deren früheren Ökonomiegebäuden sich das Museum befindet. Den Auftakt bildet ein Modell des Areals. Szenografisch in klosterartige Räume gegliedert, öffnen sich nach dem Zugang durch eine „Pforte“ museale Einblicke in die Klausur. Den eng getakteten und weitgehend verborgenen Alltag der klösterlichen Gemeinschaft vermitteln aktuelle Fotos auf einem Großbildschirm. Von diesem Zentrum aus erschließen sich Zelle, Kapitelsaal mit umlaufender Bank, Schatzkammer und Arbeitsbereiche.
Die zweite Abteilung „Landleben im Wandel“ beschäftigt sich mit dem ländlichen Alltag seit 1900. Sie zeigt, wie der Strukturwandel um etwa 1960/70 dieses Leben mit seinen tradierten Ordnungen beeinflusste und veränderte. Die Ausstellungsarchitektur betont durch raumbildende Maßnahmen und eine spezifische Farbgebung diesen Wandel. Ein großer Mittelblock bildet locker die Raumstrukturen eines bäuerlichen Anwesens um 1900 nach. Den musealen Räumen wie Stube, Kammer, Küche und Stall sind entsprechende Themen zugeordnet. Highlight ist eine grüne Kuh – eine virtuelle Melkstation zum Ausprobieren. Außen herum sind exemplarische Objekte angeordnet, die Veränderungen im Alltag bewirkten: ein Klosett, eine elektrische Melkmaschine, Kleidung aus Trevira usw. Durch ihre Präsentation mit orangener Farbe und in Vitrinen, die Durchsichten auf die Objekte der tradierten Lebenswelt im Mittelblock bieten, wird der Wandel augenfällig. Zeitgenössische Werbeslogans und einzelne Statistiken, z. B. zu Textilverbrauch, Religionszugehörigkeit und Badezimmer, unterstreichen diese Veränderungen.
Den gemeinsamen Auftakt und Abschluss zur „Klosterwelt“ und zum „Landleben“ bildet ein herausragendes Großobjekt – die Turmuhr der Abtei Oberschönenfeld von 1721, die bis 1961 den Alltag der Nonnen taktete und die umliegende Landbevölkerung an das Leben im katholischen Glauben mahnte.
Zitate vermitteln Mentalitäten
Eine spezielle Vermittlungsebene im Obergeschoss, die (historische) Mentalitäten beschreibt, besteht aus groß auf den Wänden angebrachten Zitaten. Sie stammen aus Interviews, die das Museumsteam über Jahre mit Gewährspersonen geführt hat. Allein diese prägnanten Zitate erschließen wichtige Inhalte der Ausstellung. Kurze Ausschnitte aus den Interviews lassen sich zur Vertiefung an mehreren Hörstationen anwählen, z. B. Berichte über das Essen, vom Alltag einer Kleinbäuerin und aus dem Leben der amtierenden Äbtissin von Oberschönenfeld.
Geschichten aus Schwaben
Das Dachgeschoss umfasst unter „Geschichten aus Schwaben“ fünf Abschnitte aus der Zeit von etwa 1800 bis zur Gegenwart aus nichtbäuerlichen Milieus: Zwischen „Heimatbildern“ und „Kriegszeiten“ spannen sich „Arbeitswelten“ und „Freizeitvergnügen“ in weißen Vitrinenbändern unter den Dachschrägen. Zugeordnet sind Objekte zumeist individueller „Lebenswege“ – in Schwaben, aus Schwaben und nach Schwaben – gleichförmig präsentiert in Ganzglasvitrinen entlang der Längsachse. Dagegen betonen Form, Farbigkeit, Materialität und Deckensegel die beiden Themen vor den Giebeln. Dunkles Metall von Vitrinen und Bodenbelag setzt „Kriegszeiten“ optisch und haptisch ab. Auf einem dunklen Blauton mit goldfarbener Rahmung und textilem Bodenbelag sind „Heimatbilder“ am zweiten Giebel präsentiert. Hier sind mehrere Mitmach-Stationen zugeordnet: Derzeit mit Schülerarbeiten aus museumspädagogischen Projekten bestückt, lassen sie sich dank ihrer Konstruktion einfach aktualisieren.
Barrierefreiheit und Inklusion
Das Volkskundemuseum ist barrierefrei, Vitrinen und Mitmach-Stationen sind teils unterfahrbar. Die Ausstellungsschrift basiert auf entsprechenden Empfehlungen. Für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen, aber auch für Menschen, die des Schwäbischen nicht mächtig sind, zeigen die Ausstellungsfilme Untertitel, und die Texte der Hörstationen liegen ebenso zum Mitnehmen aus wie die Ausstellungstexte. Die wichtigsten Informationen sind in „Leichter Sprache“ zusammengefasst. Tastführungen für Blinde sind in Vorbereitung.
Das Museum Oberschönenfeld
1984 als Schwäbisches Volkskundemuseum Oberschönenfeld eröffnet, dient das hauptamtlich wissenschaftlich geleitete Haus als Museum für den ganzen Bezirk Schwaben. Gleichzeitig ist es Heimatmuseum für den Landkreis Augsburg, der es in Form einer Zweckvereinbarung finanziell unterstützt. Mit Eröffnung der neuen Dauerausstellung wurde der Name gekürzt.
Das Museum umfasst drei Ausstellungsgebäude: das Besucherzentrum, 2013 neu gestaltet mit Servicebereich und kleiner Ausstellung, die Schwäbische Galerie, 2003 eröffnet, für Kunstausstellungen, und das Volkskundemuseum mit der neuen Dauerausstellung. Pro Jahr werden fünf bis sechs Kunstausstellungen gezeigt sowie zwei kulturhistorische Ausstellungen.
Regelmäßige offene Führungen, Führungen und Programme für Gruppen, Schulklassen und Familien sowie Kurse, Ferienangebote und große Veranstaltungen, z. B. Museumsfest und Weihnachtsmarkt, ziehen viele Menschen an.
Daten und Fakten
- Träger: Bezirk Schwaben, mit Unterstützung des Lkr. Augsburg (Zweckvereinbarung)
- Wissenschaftliches Konzept: Dr. Eva Bendl, Dipl. Museol. Tina Burkhardt, Dorothee Pesch M. A., Dr. Beate Spiegel (Leitung), alle Museum Oberschönenfeld
- Gestaltung, Grafik, Medien, Baumaßnahmen: Planungsbüro Thöner von Wolffersdorff GbR, Augsburg
- Fläche: Gesamtfläche Volkskundemuseum: 1.640 qm, Fläche Dauerausstellung: 882 qm, Fläche Sonderausstellung: 388 qm
- Exponate: 723 Objekte aus der Sammlung des Museums, dazu 73 Leihgaben (Hauptleihgeber: Abtei Oberschönenfeld, weitere: Heimatverein für den Lkr. Augsburg, Metzger & Mendle GmbH/Fischach, Herbert Völk/Ustersbach)
- Kosten: Gesamtkosten inkl. Baumaßnahmen 2,36 Mio.; Kosten Inneneinrichtung: 1,76 Mio.;
- Förderung: Lkr. Augsburg; Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern; Bayerische Landesstiftung; Kulturfonds Bayern Kunst
- Beratung: Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern
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