Augsburger Allgemeine 15.04.2017
Streicheleinheiten für die Seele
In der Abtei Oberschönenfeld treffen sich Frauen zum getanzten Gebet. Warum dies den Kopf zur Ruhe bringt
Die Atmosphäre im Meditationsraum ist entspannt. Hier herrscht absolute Stille, nur aus einer Nische ganz hinten im Kuppelsaal plätschert ein Brunnen leise vor sich hin. Das Licht ist weich und gedimmt, im Zentrum des Saals stehen eine Kerze, eine Rose und eine Schale aus Alabaster. Der äußere Kreis wird von Holzstühlen gesäumt. Es ist ein friedlicher Ort, der den Besucher innehalten lässt.
Angelika Stingl ist hier in ihrem Element. Sie ist Kursleiterin für meditativen Tanz und lädt mehrmals im Jahr zum getanzten Gebet. Die Veranstaltung gehört seit Jahren zu den beliebtesten Angeboten der Zisterzienserinnenabtei. Es gab Abende, da war der Andrang so groß, dass es eng wurde, erzählt Stingl lächelnd. Heute ist die Gruppe kleiner, was auch seine Vorteile habe, sagt sie. „So haben wir mehr Platz, um uns zu bewegen und die Arme auszubreiten.“
Es geht um Ostern, die Auferstehung und die Rolle der Frau im Besonderen. Stingl hat den Abend „Die salbende Frau“ genannt. „Der Bibel nach haben die Frauen die Botschaft verkündet. Eine Erfahrung, die ihnen Selbstvertrauen und Stärke gegeben hat“, erklärt sie. Die ausgebildete Tänzerin beschäftigte sich Anfang der 1990er Jahr das erste Mal mit dem meditativen Tanz. Sie ist fasziniert von der Tiefe, den Ausdrucksmöglichkeiten von Gefühlen, die sich ergeben, nicht nur im christlichen Sinne. „Was in uns vorgeht, setzen wir in Bewegung um. Ich kann Emotionen bewusst hervorheben, mich selber besser spüren und so zur Ruhe kommen.“ Wenn das klappt, sind Körper und Geist im Einklang. Voraussetzung ist aber, die Bereitschaft sich auf die Musik und die Bewegungen einzulassen. „Alles hängt von der Konzentration ab“, sagt Stingl.
Besonderes Schuhwerk ist dafür nicht notwendig. Getanzt wird in bequemer Kleidung. Wer will, lässt die Schuhe einfach weg und bewegt sich auf Socken. Doch den Kopf auszuschalten und sich treiben zu lassen, ist nicht einfach. Passenderweise heißt der erste Tanz „Nimm die Angst“. Bevor es losgeht, erzählt Stingl die Geschichte um die Frauen, die von Jesu Auferstehung als erste erfahren haben. Tänzerisch soll nun nachempfunden werden, wie das Erlebnis sie verändert hat.
Die Frauen halten sich an den Händen, drehen sich zur Musik im Kreis und wiegen die Arme in gebenden Gesten. Einige halten die Augen geschlossen. Die Schrittfolge ist simpel und wiederholt sich. Nach einigen Runden wird alles zum Fluss. Die Dynamik ist greifbar, die Gruppe ist eins und doch tanzt jeder für sich allein. Stingl nennt das die „Energie des Kreises“. Die fröhliche Melodie erinnert an einen Boléro. Sie beginnt zart und leise, behält dabei ihre Taktart, steigert sich aber im Zusammenspiel dazukommender Instrumente. „Ob Klassik oder Folklore, stilistisch gibt es keine Grenzen“, sagt Stingl.
Die Choreografien konzipiert sie meist selber. Viele Tänze lehnen sich an den Kreistänzen der Völker an, werden beeinflusst von israelischen Tänzen oder traditionellen griechischen Elementen. Der interkulturelle Ausdruck inspiriert, findet nicht nur die Kursleiterin. „Wir fühlen uns so mit den Christen der ganzen Welt verbunden“, sagt Nicole Lukas aus Dinkelscherben. Das Gefühl hält lange an. „Der Tanz gibt einem Kraft, gerade weil der Alltag viel fordert.“
Viele Teilnehmerinnen kommen seit Jahren immer wieder. So wie Nicole Lukas freut sich auch Roswitha Hochhäuser aus Königsbrunn auf jeden neuen Abend. „Man findet sich und erlebt die Gemeinschaft, das verbindet“, sagt Roswitha Hochhäuser. Vor allem, weil es nicht um Leistung geht, nicht darum perfekt zu sein. Jeder geht nach seinem Tempo und ist Teil des großen Ganzen. Am Ende wird jeder Teilnehmer mit Rosenöl gesegnet. Hochhäuser ist glücklich. „Was zählt ist das Besinnliche und das tut der Seele einfach gut.“
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