«Die jungen Menschen brauchen eine erwachsene Kirche»

Rom, 15.10.18 (kath.ch) Die Kirche muss die Jugend begleiten und ihr mit der Reife eines Erwachsen beistehen. Diese Botschaft will der Schweizer Generalobere des Zisterzienserordens, Mauro-Giuseppe Lepori, in der aktuell laufenden Bischofssynode zur Jugend einbringen. Der ehemalige Abt von Hauterive wurde von den Ordensoberen gewählt, um an der Synode teilzunehmen. Wie die weiteren Delegierten der Ordensvertreter ist er an den Synode stimmberechtigt.

Pierre Pistoletti

Was ist Ihr Beitrag zur Synode?

Mauro-Giuseppe Lepori: In einigen Teilen der Welt gibt es zahlreiche Berufungen. Viele junge Menschen sind Mitglieder unseres Ordens in Afrika oder Asien. Diese jungen Menschen sagen es selbst: Sie wollen mehr Unterstützung. Um diesem Bedürfnis gerecht zu werden, muss die Kirche erwachsen sein. Sie muss diesen jungen Menschen die Weisheit eines Menschen anbieten, der auf seinem Lebensweg und in seiner Beziehung zu Christus vorangekommen ist.

«Die Regel des Heiligen Benedikt als Ideal der Reife.»

Das ist im Wesentlichen das, was ich der Synode übermitteln möchte, indem ich daran erinnere, dass die Regel des Heiligen Benedikt das Ideal der Reife darstellt. Dies steht im Widerspruch zur aktuellen Tendenz zur Vergötterung der Jugend.

Vermag die Kirche dieser Tendenz auszuweichen?

Lepori: Nicht ganz. Einige denken, dass sie jungen Menschen helfen, indem sie sich mit ihnen jung machen, anstatt sie ins Erwachsenenalter zu begleiten und zwar mit dem Ziel, ihr Leben voll Christus hinzugeben.

Die Synode begann am 3. Oktober. Was fällt Ihnen an diesem Bischofstreffen auf?

Lepori: Die Universalität. Ich begegne allen Facetten der Kirche, geografisch und kulturell. Andererseits bedauere ich die geringe Anzahl von Frauen, insbesondere Ordensschwestern. Nur zwei oder drei Generaloberinnen nehmen an der Synode teil, während es auf globaler Ebene dreimal so viele Generaloberinnen als Generalobere gibt.

«Zuhören ist anstrengend.»

Ich bin auch berührt von der einfachen und täglichen Anwesenheit von Papst Franziskus an der Synode. Er ist einer von uns, aufmerksam und zugänglich. Er fordert uns zum «Mut zu sprechen und zur Demut zu hören» auf. Die vierminütigen Reden folgen einander. Man kommt vom Hundertsten zum Tausenden und ich merke zuweilen, dass ich an meine eigenen Grenzen stosse. Zuhören ist anstrengend.

«Höre, mein Sohn» sind die ersten Worte der Regel des Heiligen Benedikt…

Lepori: So ist es. Der Abt muss auf alle hören, bevor er eine Entscheidung trifft, auch auf die Jüngsten, heisst es in der Regel. Ich habe den Eindruck, dies während dieser Synode inmitten der Kirche zu erleben. Jeder teilt sich frei dem Papst mit, der zuhört und Ratschläge von allen annimmt.

Was kann der Zisterzienserorden den jungen Menschen bringen?

Lepori: Der heilige Benedikt bittet die Älteren, die jungen Menschen zu lieben und die jungen Menschen die Älteren zu ehren. So kann der Orden jungen Menschen einen Ort des generationenübergreifenden Wachsens bieten; eine Familie also, in der im virtuellen Zeitalter reale Beziehungen entstehen; eine Welt, in der sich alle Aspekte des Menschen entfalten und einen Raum, der die Beziehung zu Gott ermöglicht.

«Jedem die Freiheit geben, sich zu binden oder zu gehen.»

Das klösterliche Leben besteht im Wesentlichen darin, die durch die Taufe gegebene Berufung zu verwirklichen. Das heisst, die Beziehung zu Christus zu leben und sich im Heiligen Geist auf ihn einzulassen.

Das Arbeitsdokument der Synode spricht von einer «Kultur der Unentschlossenheit», die für bestimmte Regionen der Welt spezifisch sei. Bedeutet das, dass der unabänderliche Entscheid, einem Orden beitreten, nicht mehr in das Weltbild heutiger Jugendlicher passt?

Lepori: Man stellt heute eine Unentschlossenheit fest, die eine längere Reifezeit erfordert. Das hat auch seine positive Seite: Die Wahl für das Ordensleben erfolgt nicht automatisch. Es ist wichtig, jedem die Freiheit zu geben, sich zu binden oder zu gehen. Der freie Zugang ist ein wichtiges Element.

«Sich jedem anpassen, ist Gottes Wille für heute.»

Wir können nicht mehr mit vorfabrizierten Systemen arbeiten, die für alle gelten sollen, nach dem Schema: ein Jahr Noviziat, drei Jahre zeitliche Profess und schliesslich die ewigen Gelübde. Man muss sich jedem anpassen. Das ist wahrscheinlich Gottes Wille für heute. (cath.ch/Übersetzung: gs)